Es gibt diesen Moment: Ein Blick, ein Zögern, ein Warten. Der Hund schaut seinen Menschen an – still, fragend, bereit. Nicht aus Angst, sondern aus Vertrauen. Wer einen Hund erzieht, weiß: Führung hat nichts mit Dominanz zu tun. Es geht um Beziehung, Klarheit, Präsenz. Und genau das gilt auch für die Menschen, die wir führen dürfen.
Denn gute Führung – ob im Büro oder auf der Hundewiese – beginnt nicht mit Kontrolle. Sondern mit Verbindung.
Meine Hündin Maya kam aus dem Tierheim. Sie war ängstlich, besonders bei Begegnungen mit anderen Hunden. An manchen Tagen sind wir gemeinsam Umwege gegangen – wortwörtlich. Wenn mehrere Hunde kamen, sind wir den Damm hinuntergestiegen, um ihr Raum zu geben.
Ich habe sie beobachtet, geführt – nicht durch Zwang, sondern durch Vertrauen. Bei einzelnen Hunden habe ich, wenn sie ruhig blieb, ein Leckerli in die Hand genommen, tief durchgeatmet und bin mit ihr ruhig weitergegangen. Schritt für Schritt, Tag für Tag.
Dann kam dieser besondere Moment: Maya sah einen fremden Hund – und statt auszuweichen, lief sie neugierig auf ihn zu. Heute begegnet sie jedem Hund mit Ruhe – auch, wenn sie angekläfft wird. Wenn ihr etwas merkwürdig erscheint, bleibt sie stehen, schaut mich an – und wir entscheiden gemeinsam. Ohne Worte, aber mit Verbindung.
Diese stille Kommunikation – diese Klarheit und das Vertrauen – das ist Führung. Nicht von oben herab. Sondern nebeneinander. Im echten Kontakt.
Ein gut erzogener Hund folgt nicht, weil er Angst hat – sondern weil er vertraut. Ebenso folgen Mitarbeitende nicht blind, sondern dann, wenn sie Führung erleben, die Sicherheit gibt, Sinn stiftet und Entwicklung ermöglicht.
Wie bei Maya zählt: Der Ton macht die Musik – aber auch der Takt. Führung heißt nicht: vorneweg rennen. Es heißt: Da sein, beobachten, begleiten – und den anderen sehen.
Führung beginnt mit Beziehung.
Strenge Regeln, klare Kommandos, kein Widerspruch. Wer so führt, erhält vielleicht Gehorsam – aber niemals Vertrauen. Hunde zeigen Meideverhalten, Menschen ziehen sich zurück. Es bleibt Distanz.
Alles ist erlaubt, niemand greift ein. Freiheit ohne Richtung verunsichert. Orientierungslosigkeit schafft keinen Raum für Entwicklung, sondern für Stress. Hunde wie Menschen brauchen Rahmen, um sich sicher zu fühlen.
Vertrauen schenken, aber auch Halt geben. Klare Kommunikation, Respekt und echtes Interesse am Gegenüber. Wer so führt, ermöglicht Selbstverantwortung und Wachstum. Aus Folgen wird Mitgehen. Aus Kontrolle wird Verbindung.
Der Weg zu Vertrauen ist nie der schnellste. Aber er ist der nachhaltigste. Niemand lernt unter Druck. Niemand wächst durch Angst. Ob Hund oder Mensch – es braucht Klarheit, liebevolle Konsequenz und Zeit.
Wer führt, sollte nicht nur entscheiden, sondern auch hin spüren. Nicht nur fordern, sondern fördern. Führung bedeutet, einen Raum zu schaffen, in dem Entwicklung möglich wird – ohne Urteil, aber mit Haltung.
Ein guter Hundeführer ist geduldig. Er bewertet nicht vorschnell, sondern beobachtet. Er kennt das Wesen eines Hundes, seine Unsicherheiten, seine Stärken – und weiß, wie man ihn sanft und klar durchs Leben begleitet.
Das ist genau die Qualität, die auch Führungskräfte auszeichnet: Sensibilität statt Starrheit. Klarheit statt Kontrolle. Vertrauen statt Druck.
Denn gute Führung beginnt mit einer einfachen Frage: Was braucht der andere gerade von mir, um wachsen zu können?
Bei Maya waren es bereits beim Kennenlernen im Tierheim: Vertrauen, Geduld und Liebe!
Führung beginnt dort, wo wir bereit sind, wirklich hinzusehen. Zu verstehen, statt zu urteilen. Zu begleiten, statt zu kontrollieren. Ob mit vier Beinen oder zwei – wer geführt wird, möchte sich sicher fühlen. Und gesehen.
Führung ist nicht das Ende von Freiheit – sie ist der Raum, in dem Vertrauen wächst. Und manchmal beginnt sie mit einem einfachen Blick, der sagt: Ich bin da. Du kannst mir folgen.
"Vertrauen ist die stillste Form von Mut.“
Hildegard von Bingen.
3 Kommentare
Was denkst du?